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Arbeitenbei uns
Es kann doch nicht so schwer sein, sich
einGlasWassereinzuschenken. Istesaber.
Schon das Öffnen der Flasche bereitet
Kathrin Glimmann große Mühe. Der
49-Jährigen machen der steife Rücken,
die schwerenArme unddie Finger ohne
Gefühl zu schaffen. „Wie anstrengend“,
stöhnt sie. Dabei ist alles nur simuliert.
Denn Glimmann ist tatsächlich körper-
lich fit – ganz anders als dieMenschen,
umdie sie sich täglichkümmert.
InvollerMontur
Im Rahmen einer Fortbildung in der
Sozialen Betreuung wagen Kathrin
Glimmann und Viola Ohrt einen Selbst-
versuch mit spezieller Ausrüstung. „Wir
legenunseineneunKilogramm schwere
Weste an, bekommen Gewichte an
Hand-undFußgelenke,Manschettenum
die Ellenbogen und Knie sowie eine
Halskrause, die die Bewegung ein-
schränkt“, erzählt Orth. „Außerdem
tragen wir Handschuhe, spezielle Kopf-
hörer,wie sieBauarbeiterbenutzen, und
eine Brille, die die Sicht einschränkt.“
Der Effekt:Die46-Jährige inderMontur
ist plötzlich schwach, steif, schwerhörig
und schlechtsichtig – als wäre sie mit
einemSchlag80 Jahrealt.
Empathie für Pflegebedürftige
„Unsere Mitarbeiterinnen erhalten die
Möglichkeit, die Einschränkungen des
Alters am eigenen Leib zu erfahren“,
erklärt Antje Dickau, die Leiterin von
HausBegonie.
„Siewissen zwar,wasAltersgebrechen für
dieMenschenbedeuten,aber es selbst zu
erleben, ist etwasganzanderes.“
Auch in der Pflegeschule des Hospitals
gehören
Alterssimulationstests
zur
Ausbildung. Esgehtdarum, einewichtige
Kompetenz der Auszubildenden zu för-
dern: die Empathie-Fähigkeit. Wie
schwierig zum Beispiel das Treppen-
steigen sein kann. Wie unsicher man
wird, wenn das Sehvermögen beein-
trächtigt ist. Oder wie anstrengend es
seinkann,wennTönenurnochgedämpft
ansOhrdringen.
Empathie empfindet auch Kathrin
Glimmannbei ihrem Test, als „alte Frau“
einkaufen zugehen. „Das Schlimmste ist
das Bezahlen“, erzählt sie. Prompt fällt
ihr ein Geldstück zu Boden. „Jetzt muss
ichmich auch noch bücken. Und keiner
hilft.“ Langsam, wie in Zeitlupe, hebt sie
das50-Cent-Stückauf.
Diese praktische Übung ist einWeg, um
ein Gefühl für das Alter zu bekommen.
Und vielleicht auch ein Wegweiser für
mehr Geduld im Umgang mit älteren
Menschen. Glimmann jedenfalls will
künftigverständnisvollersein,wenneine
alteDamevor ihranderSupermarktkasse
etwas längerbraucht,umzubezahlen.
n
am
Wie istdaseigentlich, gebrechlich
zu sein?Wie fühlt sicheinhohes
Alter an?Mitarbeiterinnenund
AuszubildendedesHospitalsma-
chendenSelbstversuch
KurzeReise inshoheAlter
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